Demonstranten und Polizei

Station 3

 

Der Konflikt zwischen den Demonstranten und der Polizei an der Startbahn

Die Protestbewegung gegen den Bau der Startbahn West setzte sich aus Menschen unterschiedlichster politischer und sozialer Herkunft zusammen. Eine bis heute umstrittene Frage innerhalb der Startbahn-Bewegung war, welche Protestformen, gewaltfreie und gewaltsame, zum Einsatz kommen sollten. An der Startbahn und im umliegenden Wald kam es zu regelmäßigen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Diese hatte vornehmlich den Auftrag, die Baustelle vor Sabotageakten oder Besetzung zu schützen, agierte jedoch nicht selten auch offensiv gegen die Demonstranten. [1]

Gespräche über den Stacheldraht (© Walter Keber)
Wasserwerfer und Rebellen (© Walter Keber)
Polizeipräsenz (© Walter Keber)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mehrere Ereignisse spiegeln das schwierige Verhältnis zwischen der Polizei und den Protestierenden wider. Um die Errichtung des 2,5m hohen Betonzauns, welcher die Baustelle umgab, durchzusetzen, ging die Polizei teils rabiat gegen die Besetzer der Fläche vor. Die ersten schweren Ausschreitungen zwischen der Polizei und den Demonstranten vom 11. Oktober 1981 wurden fortan als „Blutsonntag“ bekannt. Bei der Räumung des seit Mai 1980 stetig erweiterten Hüttendorfs am 2. November 1981 kam es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.[2] Da auch innerhalb der Polizei der Bau der Startbahn nicht unumstritten war, verzichtete diese auf den Einsatz ortsansässiger Polizisten, sodass Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern hinzugezogen wurden.

Räumung des Hüttendorfs (© Walter Keber)

 

 

 

 

"Nacktensamstag" (© Walter Keber)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurz nach der Räumung des Hüttendorfs versammelten sich am sogenannten „Nacktensamstag“, dem 7. November 1981, Demonstranten, um die Baustelle der Startbahn zu besetzen. Als die Besetzung fehlschlug, ließ die Polizei 50 ausgewählte Demonstranten, die mit freiem Oberkörper an der Startbahn protestierten, über den Stacheldrahtzaun, um mit dem damaligen Hessischen Innenminister Ekkehard Gries (FDP) über einen Stopp der Rodungsarbeiten bis zu einer gerichtlichen Entscheidung zu verhandeln. Dieser Versuch scheiterte und es kam daraufhin zu Unstimmigkeiten über die Legitimation der „Nackten“ als Verhandlungsführer der Bewegung.[3]

Nach der Eröffnung der Startbahn am 12. April 1984 setzten sich die Proteste mit abnehmender Teilnehmerzahl weiter fort.[4] Am sechsten Jahrestag der Räumung des Hüttendorfs kam es 1987 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei im umliegenden Wald, in deren Verlauf zwei Polizisten erschossen wurden. Dieser Vorfall bedeutet ein vorläufiges Ende der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten an der Startbahn West.[5]

 

„Wir waren ständig draußen. Meine Familie wurde angefeindet, weil ich zu den Einsätzen geschickt wurde. Ich war genauso gegen die Startbahn wie später gegen die neue Nordwest-Landebahn […] Da sind plötzlich ganz normale Menschen uns gegenüber aggressiv geworden. Sie waren voller Hass. Wir waren der Blitzableiter für die Fehler der Politiker.“ [6]

Hessischer Prügel-Löwe

 

„Plötzlich kamen die Polizisten an, klopften mit ihren Knüppeln auf die Schutzschilde, machten Krach, stürmten auf uns zu. Über dem Wald schwebte ein Hubschrauber. Ich habe am ganzen Körper gezittert. Bis zum Schluss habe ich gedacht, dass die Polizisten uns nicht anfassen.“ [7]

 

Die Aufarbeitung der Konflikte an der Startbahn im Zuge des Sonntagsspaziergang Reloaded

Aufgrund der Vielzahl der Ereignisse ließ sich eine Darstellung der Konflikte zwischen Polizei und Demonstranten lediglich auf einige ausgewählte Ereignisse und symbolträchtige Fotografien beschränken.

Während des „Sonntagsspaziergangs Reloaded“ wurde recht schnell klar, wie aktuell und präsent der Konflikt auch nach mehr als 30 Jahren, die seit den Tötungsdelikten vergangen sind, heute noch für die Beteiligten ist. Direkt zu Beginn der Veranstaltung entstand ein Wortgefecht zwischen dem als Zeitzeugen eingeladenen Polizisten Harald Zwick und einem Startbahngegner, der sich durch die Kamera des Polizisten provozierte fühlte. Der Startbahngegner wandte ein, dass etwaige Fotografien auch heute noch gegen Beteiligte oder die Bürgerinitiative verwendet werden könnten. Glücklicherweise gelang es, den Streit zu schlichten, nachdem Herr Zwick versicherte, dass er auf das Fotografieren von Personen verzichte und lediglich für private Zwecke festhalten wolle, wie sich die Gegend um die Startbahn seit seinen aktiven Einsätzen verändert habe.

Auch bei der Betrachtung von an der Station ausgestellen Fotografien, die Konfliktsituationen zwischen Polizei und Startbahngegnern zerigten, sowie in der Diskussionsrunde mit dem Polizisten, Herrn Zwick, war vielen Besuchern anzumerken, dass die Erinnerungen an die Erfahrungen mit der Polizei an der Startbahn bis heute mit großen Emotionen verbunden sind. Diskutiert wurde der moralische Konflikt, in dem sich Einsatzkräfte befinden, die auf Befehl gegen die Bevölkerung vorgehen. Dennoch schien die Idee eines direkten Austauschs mit der jeweils anderen Konfliktpartei sowohl bei dem Polizisten, als auch bei den Besuchern, unter denen sich viele ehemalige und auch heute noch aktive Aktivisten gegen die stete Erweiterung des Flughafens befanden, auf Wohlwollen zu stoßen. Es entstand ein sehr offener und kritischer Dialog. Die Institution Polizei bekam so ein Gesicht, mit dem ein reger Austausch über die Erinnerungen möglich wurde. Auf dem Weg zur letzten Station, der Hüttenkirche, wurden die Gespräche zwischen dem Zeitzeugen und den Teilnehmern der Veranstaltung fortgeführt und so die zu Beginn recht feindselige Stimmung aufgelockert.

(Henrik Drechsler und Janine Jochum)

 

Fußnoten

 

[1] Vgl. Anders, Freia: Die „Gewaltfrage“ an der Startbahn West, In: Bulst, Neithard/Gilcher-Holtey, Ingrid/Haupt, Heinz-Gerhard (Hrsg.): Gewalt im Raum des Politischen, Frankfurt a.M. 2008 (Historische Politikforschung, Bd. 15), S. 260-288, S. 263.

[2] Vgl. Ebd., S. 267.

[3] Vgl. Ebd., S. 269.

[4] Vgl. Ebd., S. 271.

[5] Vgl. Ebd., S. 274.

[6] Link, Wolfgang, Startbahn 18 West: Gesichter eines Widerstands. In: Frankfurter Neue Presse, April 2014.

[7] Heilig, Rosemarie, ebd.

 

 

Bildnachweise

 

(1) "Gespräche über den Stacheldraht": Keber, Walter/Treber, Dirk/Frühwacht-Treber, Wilma (Hrsg.): 50 Jahre Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens, Bd.1, Frankfurt a.M. 2015, S. 37.

(2) "Wasserwerfer und Rebellen", ebd., S. 38.

(3) "Polizeipräsenz", ebd., S. 38.

(4) "Räumung des Hüttendorfs", ebd., S. 42.

(5) "Nacktensamstag": ebd, S. 46.

(6) "Hessischer Prügel-Löwe", Nadir Palakarchiv, Schlagwort: Startbahn West, URL: http://plakat.nadir.org/plakat_ausgabe.php3?plakat=http://uke.nadir.org/nadir/plakat/cd/film072/72_06.jpg (Aufruf: 02.09.2019)