Station 3
„Die Hüttenkirche war für mich das Herzstück des Widerstandes und DAS Symbol für den Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung. Jetzt ist sie Erinnerung an Schmerz und Trauer.“
Paul-Gerhard Gocht 2016 (Teil der Zitaten-Collage des Projektes)
Historie
An der Verbindungsstraße zwischen Mörfelden und Walldorf steht sie, die kleine, auch als „Hüttenkirche“ bekannte Waldkapelle, die seit den 1980er Jahren für die Anwohner des Rhein-Main-Gebietes eine ganz besondere Bedeutung hat. Für viele ist sie nicht nur ein mit nostalgischen Erinnerungen verbundenes Überbleibsel des Konfliktes um die Startbahn 18 West, sondern repräsentiert bis heute einen Ort des Rückzugs, der Hoffnung, vor allem aber ein Symbol des Widerstandes gegen den Flughafenausbau und die damit verbundenen Konsequenzen für Mensch und Natur.[1]
Ihren Ursprung hatte die „Hüttenkirche“ im November 1980 als Teil des Hüttendorfes im Flörsheimer Wald [2], wo sie nach ihrer Einweihung am 3. Advent desselben Jahres zu einem Sammelpunkt wurde, an dem sich zahlreiche Menschen unterschiedlichster sozialer Schichten und Konfessionen zusammenfanden.[3]
Bereits im darauffolgenden Jahr, im November 1981, begann die erste Etappe ihrer Reise hin zu ihrem heutigen Standort. Auch die „Hüttenkirche“ mußte im Rahmen der Räumung des Hüttendorfes weichen, wurde aber durch Demontage und Einlagerung vor einer endgültigen Zerstörung bewahrt.[4] In ihren Einzelteilen überdauerte sie die Jahre unter anderem auf den Bauhöfen in Mörfelden und Walldorf.[5] Der Wunsch, die kleine Kapelle wieder aufleben zu lassen, manifestierte sich 1984 in der Gründung des Förderkreises Hüttenkirche e.V., ein Zusammenschluss christlicher Gemeinden, der sich aktiv für den Wiederaufbau und bis heute für den Erhalt der „Hüttenkirche“ einsetzt.[6] Allerdings stellte sich die Suche nach einem neuen Standort als bürokratischer Hürdenlauf heraus, der sich auch in dem nach kurzer Zeit wieder gestoppten Aufbau der „Hüttenkirche“, im Jahr 1986 auf einem Grundstück in der Dietrich-Bonhöffer-Straße, widerspiegelt.[7] Trotz des Baustopps konnten in der Hüttenkirche im Juni desselben Jahres mit Hilfe eines provisorischen Daches wieder Gottesdienste abgehalten werden.[8] Aber auch schon vorher befand sich die Kirche nicht in einem reinen Lagerzustand, so dass mehrere Tausend Menschen sie bereits an den Evangelischen Kirchentagen vom 8.-12. Juni 1983 in Hannover und vom 3.-9. Juni 1985 in Düsseldorf besuchen konnten.[9]
Am 21. November 1986 trugen die jahrelangen Bemühungen um die „Hüttenkirche“ Früchte und es gab die offizielle Genehmigung zur Wiedererrichtung. Der Umzug fand daraufhin mit Hilfe eines Krans in den Vitrolles-Ring am Ortsrand von Walldorf statt, wo man die Hüttenkirche bis heute besichtigen und an regelmäßig stattfindenden Gottesdiensten teilnehmen kann.[10]
Aufbau der Station
Im Rahmen des „Sonntagsspaziergang reloaded“ bildete die „Hüttenkirche“ als letzte Station den Abschluss der Veranstaltung. Als Teil der Ausstellung wurde die „Hüttenkirche“ selbst zur Darstellung ihrer Geschichte genutzt. Im Inneren der Kirche wurden zwei Fotostrecken ausgestellt, die zwei kirchliche Aspekte des Konflikts thematisch aufgriffen. Unter den Titeln „Geschichte der Hüttenkirche“ und „Christlicher Widerstand und menschlicher Zusammenhalt im Konflikt um die Startbahn 18 West“, wurden den Besuchern, jeweils in chronologischer Reihenfolge, besondere Ereignisse und Daten zu diesen beiden Thematiken präsentiert.
Ein kleiner Einblick:
Die historische Aufarbeitung zur näheren Einsicht:
Christlicher Widerstand und menschlicher Zusammenhalt im Konflikt um die Startbahn 18 West
Des Weiteren wurde, um die Bedeutung der „Hüttenkirche“ für die lokale Bevölkerung mit den Worten der Betroffenen zu erfassen, eine „Zitatencollage“ eingebunden. Zeitzeugen des Startbahn West Konfliktes waren aufgefordert, in eigenen Worten wiederzugeben, was für sie christlicher Widerstand im Konflikt um die Startbahn 18 West war bzw. ist, was menschlicher Zusammenhalt und welche Bedeutung die „Hüttenkirche“ für sie in diesem Kontext hatte, bzw. heute noch hat. Die Hauptintention dieses Vorgehens war, möglichst unterschiedliche zeitgenössische Perspektiven einzufangen und nebeneinander zu präsentieren. Durch die gesammelten Stimmen wurde sehr anschaulich, dass die „Hüttenkirche“ trotz ihrer Funktion als religiöser Ort der Andacht für viele auch unabhängig des Glaubensaspektes einen wichtigen Teil der damaligen Protestbewegung und der Erinnerungen an diese repräsentiert.
Ablauf der Veranstaltung /Reflexion
Durch den Spaziergangscharakter der gesamten Veranstaltung kamen die Besucher nach und nach an der „Hüttenkirche“ an, jeder in seinem eigenen Lauftempo, sodass es auch trotz des nur begrenzten Raumes innerhalb der „Hüttenkirche“ nicht zu eng wurde und sich jeder gemütlich mit den einzelnen Ausstellungselementen und den teilweise damit behafteten Erinnerungen auseinandersetzen konnte.
In einer gemeinsamen Sitzrunde wurde abschließend noch einmal über die Inhalte der Veranstaltung gesprochen und diskutiert. Besonders einprägsam gestaltete sich der Austausch erlebter Ereignisse durch die Erzählungen des Ehrengastes Käte Raiss, die sich trotz ihres bereits fortgeschrittenen Alters an der Station eingefunden hatte und die Anwesenden an ihren Erinnerungen und Eindrücken teilhaben lies. So konnten auch die Besucher und Studierenden, die den Spaziergang nicht wie viele der Anwesenden als Zeugen der Zeit angetreten hatten, einen Eindruck von der emotionalen Präsenz bekommen und eine neue Perspektive auf Ereignisse wie den Umzug der „Hüttenkirche“ zu ihrem jetzigen Standort am Vitrolles-Ring gewinnen.
(Kira Seeliger)
Literatur
Düpperthal, Gitta: "Natürlich soll alles immer den Frauen angehängt werden ...". Käte Raiss und ihr ausdauerndes Engagement zum Flughafenausbau. In: Redaktionsgruppe Schwarzspecht (Hrsg.): Turbulenzen. Widerstand gegen den Ausbau des Rhein-Main Flughafens. Geschichte, Fakten, Facetten, Gravenau 2002, S. 21-23.
Jourdan, Roland: Die Hüttenkirche - vom "Widerstandsdorf" zur "Gemeinde im ökumenischen Geist". Christinnen und Christen im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung - als Zeichen christlichen Zeugnisses im Brennpunkt einer Region, Frankfurt 2002.
Ruf, Waltraud/Olbrich, Herbert: Die Kirche aus dem Widerstandsdorf, Gustavsburg [1987].
Links
Heuser, Winfried: Die Hüttenkirche – Symbol des friedlichen Protests gegen die Zerstörung der Schöpfung (13.Dezember 2005), URL: http://www.flughafen-bi.de/Archiv/2005/bi_2005_12_13_huettenkirche_geschichte.htm (Aufruf: 14.03.2019).
Hüttenkirche Walldorf, URL: http://www.gg-online.de/html/huettenkirche.htm (Aufruf: 11.11.2018).
Hüttenkirche, URL: http://www.kirchengemeinde-moerfelden.gross-gerau-evangelisch.de/index.php?s_id=36&lang=de&r=1469962255 (Aufruf: 17.06.2019)
Fußnoten
[1] Vgl. Jourdan, Roland: Die Hüttenkirche - vom "Widerstandsdorf" zur "Gemeinde im ökumenischen Geist". Christinnen und Christen im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung - als Zeichen christlichen Zeugnisses im Brennpunkt einer Region, Frankfurt 2002, S. 11.
[2] Vgl. Ruf, Waltraud/Olbrich, Herbert: Die Kirche aus dem Widerstandsdorf, S. 6.
[3] Vgl. ebd. S. 7.
[4] Vgl. ebd., S. 13.
[5] Vgl. ebd., S. 30.
[6] Hüttenkirche Walldorf, URL: http://www.gg-online.de/html/huettenkirche.htm (Aufruf: 11.11.2018). Ebenso vgl. Ruf/Olbrich, Kirche aus dem Widerstandsdorf, S. 22.
[7] Vgl. ebd., S. 22, 24, 32ff.
[8] Vgl. ebd., S. 35.
[9] Vgl. ebd, S.17, 27.
[10] Vgl. ebd., S. 38.